Reformationsempfang in St. Wendel: Das Ende der Angst gebührend feiern
Ihren symbolischen „Geburtstag“ haben die Evangelischen Kirchen im Saarland beim Reformationsempfang im St. Wendel festlich begangen. Im Rahmen der Veranstaltung verliehen die Kirchenkreise Saar-Ost und Saar-West sowie die Kirchenbezirke Homburg und Zweibrücken ihren „Freiheitspreis“.
Die „Evangelische Freiheit“ nach Martin Luther kam mehrmals zur Sprache. Udo Recktenwald, der Landrat des Landkreises St. Wendel empfand es als Ehre, dass die Veranstaltung diesmal in „seinem“ Landkreis stattfinde. Dass der Freiheitspreis hier verliehen werde, passe umso mehr, da in der Nähe der Evangelischen Stadtkirche Freiheitsgeschichte geschrieben worden sei. Im „Keller’schen Gasthaus“, der heutigen Kneipe Spinnrad, hatte sich im 19. Jahrhundert eine demokratische Bewegung gegründet.
Die Evangelische Freiheit sei vor allem auch eine Freiheit vor der Angst, betonte der gastgebende Superintendent Markus Karsch vom Kirchenkreis Saar-Ost in seiner Begrüßung. Die Reformation habe die Angst besiegt. Seither müsse man vor Dämonen oder Teufeln keine Angst mehr haben. Mehr noch: „Die Kinder können sie feiern“, fügte Karsch augenzwinkernd mit Blick auf das Halloween-Treiben in der St. Wendeler Innenstadt hinzu.
Professorin Barbara Krug-Richter von der Universität des Saarlandes befasste sich in ihrem thematischen Impulsvortrag mit der Auswirkung des Christentums auf Speisetraditionen.
Insbesondere zwei Entwicklungslinien konnte sie ausmachen und ausführen. Einerseits hätten sich die Mahltraditionen aus den katholischen Fastenregeln und -zeiten derart verfestigt, dass sie in reduzierter Form teilweise bis in die Gegenwart sichtbar seien. So würde auch heutzutage noch in zahlreichen Mensen und Kantinen freitags ein Fischgericht serviert.
Zum anderen ließe sich anhand historischer Quellen belegen, dass auch evangelische Gastgeber noch lange nach der Reformation an Fastenspeisen festgehalten hätten, obwohl es dafür längst keine religiöse Notwendigkeit mehr gegeben hätte. Vielmehr sei die Abstinenz, also der im Gegensatz zum Fasten freiwillige Verzicht auf bestimmte Produkte, in den Vordergrund getreten. Inwieweit man im Einzelfall einen solchen Verzicht auch gut umsetzen konnte, sei vor allem an den wirtschaftlichen Möglichkeiten abhängig gewesen, so Krug-Richter. So konnte die Äbtissin eines evangelischen Stifts ihren Gästen ein Dreigangmenü kredenzen, das mittels zahlreicher Luxusprodukte wie Safranreis die nicht mehr obligatorischen Fastenregeln einhielt. Die christlichen Ernährungsvorschriften hätten also auch die soziale Ungleichheit am Esstisch verschärft.
Im Rahmen des Empfangs wurde der Evangelische Freiheitspreis Saar an Jürgen Bender verliehen. Der 77-jährige frühere Präsident des saarländischen Sozialgerichts und derzeitiger Pflegebeauftragter des Saarlandes erhielt den Preis für sein jahrzehntelanges ehrenamtliches Engagement in den Bereichen Pflege, Arbeitsmarkt und Unterstützung sozial schwacher Menschen.
Laudator Armin Lang, ein langjähriger Weggefährte im Bereich der Armutsbekämpfung, würdigte Benders Leben und Wirken als beispielhaft. Die Würde der Anderen, der Nächsten, sei „Kern-Antrieb“ und Motivation für sein vielfältiges Wirken. Mit seiner Zuwendung und Geduld, besonders gegenüber den Rechtsuchenden, habe Bender Maßstäbe gesetzt und vielfach „zur nachhaltigen Akzeptanz unserer demokratischen Ordnung beigetragen“, so Lang. Als Pflegebeauftragter gehe er wirklich jeder Frage, jeder Beschwerde nach und versuche, eine Lösung zu finden, ergreife aber auch Partei, falls nötig. Insbesondere zeichne Bender sein „Respekt einem jeden Menschen gegenüber, die Anerkennung der Würde eines Jeden, ganz gleich mit welcher Bildung, aus welchem Beruf oder sozialem Stand“ aus. Trotz aller Ämter und Funktionen sei Bender ein „nahbarer und feinfühliger Mensch“ und stets bodenständig geblieben, einer, „der weiß, woher er kommt und wohin er gehört“, betonte Lang.
Sichtlich bewegt nahm Bender die Urkunde entgegen. Der Preis sei für ihn „eine große Ehre“. Im selben Atemzug kündigte er an, dass sein „Lebenswerk“ damit noch nicht erledigt sei. Er habe vor, solange es gehe weiter zu wirken. In seiner Dankesrede plädierte er außerdem für die offizielle Eiführung eines „diakonisch-karitativen Handabdrucks“. In Anlehnung an den „ökologischen Fußabdruck“, der aufgrund einer Berechnung aus verschiedenen Faktoren zum Ausdruck bringt, wie nachhaltig ein Mensch im Leben unterwegs ist, sollte es ein ähnliches Verfahren geben, um darzustellen, wie umfangreich die Spuren im sozialen Bereich sind, die Engagierte hinterlassen. Sein eigenes Engagement im diakonischen Bereich begründete er damit, dass er als Jugendlicher selbst maßgeblich davon profitiert habe, „in einer Zeit, in der ich es bitter nötig hatte“.
Die Veranstaltung wurde mitreißend musikalisch begleitet von Nino Deda (Flügel) und Amby Schillo (Gitarre, Cajon).
Der nächste Reformationsempfang wird 2025 in der Stiftskirche St. Arnual stattfinden. Dabei soll das 450-jährige Jubiläum der Reformation an Saar und Blies festlich begangen werden.
Hintergrund:
Der Reformationsempfang der Evangelischen Kirchenkreise Saar-Ost und Saar-West sowie des Kirchenbezirks Homburg findet seit 2022 jährlich an wechselnden Orten im Saarland statt. In Erinnerung an die Ursprünge des reformatorischen Selbstverständnisses soll der Reformationsempfang dazu beitragen, das Profil der Evangelischen Kirchen im Saarland in der Öffentlichkeit zu schärfen und den Austausch mit der Politik sowie anderen gesellschaftlichen Gruppen zu fördern.
Mit dem Evangelischen Freiheitspreis Saar wird eine Einzelperson oder Gruppe ausgezeichnet, die sich beispielsweise durch besonderes Wirken aus christlicher Motivation in der Kirche, in der Ökumene, im Dialog der Religionen oder in bzw. für die Gesellschaft auszeichnet. Auch wer mit seinem Einsatz dazu beiträgt, die Vernetzung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen voranzubringen oder der bzw. die für ein im Glauben begründetes Anliegen eintritt, kann für den Preis vorgeschlagen werden. Der Preis ist mit 2.000 Euro dotiert.